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Das Porzellan des Grafen
- 27. März 2013
- Gepostet von: meridian
- Kategorie: Allgemein
Es ist sehr interessant, aber alle Frauen meiner Familie mütterlicherseits, die ich kenne, waren und sind sehr stark.
Meine Ururgroßmutter Juliana wurde 1885 geboren. Sie arbeitete beim Grafen Zmeskal als Amme. Während des Sommers waren die Grafen in der Sowakei. Winters fuhr die ganze Adelsfamilie nach Budapest oder Wien. Meiner Ururoma musste mit den Herrschaften fahren und ihre Kinder jeden Winter alleine bei ihrem Mann lassen. Sie lernte viele Sachen von den Grafen. Als sie alt war, sammelte sie alte Möbel und Porzellan. Meine Mutter erinnert sich, dass sie immer mit einem großen Rucksack ging, der voll von alten Sachen war. Sie hatte diese Gewohnheit und viele Leute lächelten über sie. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in der Slowakei der Sozialismus und diese Sitte war der Überrest davon. Schade, dass sie nicht in diesen Zeiten leben konnte! Wir haben noch ihr Porzellan, das der Graf Zmeskal ihr geschenkt hat.
Ihre Tochter war meine Uroma. Ich erinnere mich sehr gut an sie. Sie starb mit 97 Jahren. Ich war gerade 23 Jahre alt. Ich kenne viele Geschichten über sie. Während des Zweiten Weltkrieges lebte sie mit ihren drei Töchtern alleine in einem kleinen Haus. Eine von ihren Töchtern, meine Oma, gefiel einem deutschen Offizier. Er wohnte in ihrem Haus. Eines Tage begoss sich meine Uroma mit heißem Petroleum. Der deutsch Offizier holte seinen Arzt und der rettete sie vor dem Tod. Bald musste das deutsche Heer flüchten, und ins Haus zogen russische Soldaten ein.
Foto: meine Urgroßmutter (li) und meine Großmutter (re).
Ein kompliziertes Leben hatte auch meine Oma. In den Zwischenkriegsjahren war sie in einen Fabrikanten verliebt. Er wollte sie heiraten, aber meine Oma kam nicht aus einer reichen Familie. Seine Eltern verbaten ihm diese Heirat und er blieb sein ganzes Leben lang ohne Frau.
Und schließlich meine Mutter. Sie ist eine starke Frau, die viele Schwierigkeiten überwinden musste. Ab acht Jahren lebte sie mit ihrer Oma in einem alten Haus ohne ein Badezimmer. Ihre Oma kümmerte sich um den Meierhof und hatte keine Zeit für meine Mami. Sie musste alles alleine machen. Niemand kontrollierte, ob sie lernte, sich wusch oder ob sie saubere Bekleidung hatte. Aber sie war sehr ambitioniert. Sie lernte gern und viel, und sie schloss die medizinische Fakultät ab. Sie ist Ärztin geworden. Und dann kam die Schwiegermutter. Sie hasste meine Mutter und machte ihr immer Probleme. Sie neidete ihr ihre Klugheit, das Geschick und den Erfolg. Aber meine Mutter kämpfte weiter. Jetzt – als Chefärztin – hielt sie dem Ansturm der anderen Ärzte stand. Wieder – und wie immer.
Jana, Deutschkurs B2/C1, März 2013